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  • Julian Berengar Sölter

Paradies mit Schönheitsfehlern

2017 suchte Hurrikan Irma die kleinen Antillen in der Karibik heim. Die karibischen Inseln gelten eigentlich als Paradies, doch auch Jahre nach dem Tropensturm sind die durch ihn verursachten Schönheitsfehler nicht zu übersehen.


Als ich den anderen im Raum von meinen Plänen erzählte für 18 Tage durch die kleinen Antillen im karibischen Meer zu segeln, wurden die Augen groß und Neid machte sich breit. Die meisten Menschen haben beim Gedanken an die Karibik vermutlich ähnliche Bilder im Kopf: Blaues Wasser, Palmen und weiße Sandstrände, so weit das Auge reicht. Eine heile Welt. Das Paradies. Doch während des Segeltörns mussten wir feststellen, dass auch dieser wunderbare Fleck Erde ein paar Schönheitsfehler hat, die ein Hurrikan namens Irma im Jahr 2017 hinterlassen hat.


Um eines vorweg zu sagen: Die Inseln in der Karibik sind schön, vielfältig und sicherlich immer eine Reise wert. Wer aber das reine Paradies auf Erden erwartet, sollte vorher einen Blick auf die Hurrikan-Saisons der vergangenen Jahre werfen. Wir hatten uns natürlich schon vor unserem Flug nach Saint-Martin bzw. Sint Maarten umfangreich auf zahlreichen Internetseiten schlau gelesen, wie man das halt so macht in Euphorie und Vorfreude. Auch dort wurden wir oft darauf hingewiesen, dass gerade die Region rund um unser Reiseziel 2017 schwer vom Hurrikan Irma getroffen wurde. Aber dass man mehrere Jahre später noch immer so deutlich die Spuren des Tropensturms findet, hatten wir nicht erwartet.

Die karibischen Inseln sind von den Folgen der globalen Erwärmung besonders bedroht. Es sind einem Bericht britischer Entwicklungs- und Umweltorganisationen zufolge vor allem die Erwärmung des Meeres, der Anstieg des Meeresspiegels und die Ausprägung von Feucht- und Dürrephasen, die die Menschen im Urlaubsparadies in Zukunft beschäftigen werden. Höhere Wassertemperaturen begünstigen zudem die Bildung von starken tropischen Stürmen. Auf dem Atlantik, in der Karibik sowie im Nord- und Südpazifik bezeichnet man diese Tropenstürme auch als Hurrikans. Sie entstehen, wenn über dem Meer, das an seiner Oberfläche ganzjährig mindestens 24 Grad warm ist, feuchtwarme Luft aufsteigt und einen Unterdruck erzeugt. Es bildet sich dann eine Art Kamin, in dem große Luftmassen nach oben strömen und durch die Corioliskraft zu rotieren beginnen [1].

Die zerstörerische Kraft eines Hurrikans lässt sich erahnen, wenn man die Schäden auf Saint-Martin bzw. Sint Maarten und anderen karibischen Inseln sieht. In Deutschland spricht man von stürmischem Wind bei Windgeschwindigkeiten von ca. 76 km/h. Große Bäume fangen an, sich zu bewegen, Zweige brechen ab, das Gehen wird erschwert. Ein Orkan herrscht ab Windgeschwindigkeiten von 120 km/h und richtet bereits schwerste Schäden in Millionenhöhe an. Das alles klingt vergleichsweise harmlos, wenn man sich die Bilanz des Hurrikans Irma anschaut, der 2017 über Teile der Karibik hinweg zog. Irma erreichte in der Spitze Windgeschwindigkeiten von 300 km/h.

Irma zerstörte 2017 gut 90 % der Gebäude im niederländischen und 95 % im französischen Teil der Insel. Auch der Princess Juliana International Airport, auf dem die meisten der internationalen Flüge ankommen, war betroffen und musste für mehrere Wochen sein Terminal schließen. Die Menschen vor Ort mussten als Folge der Katastrophe mit starken Einbußen im Tourismusbereich leben, viele Urlauber cancelten ihre Reisen. Dabei ist der Tourismus für viele die Haupteinnahmequelle.

Der Wiederaufbau der Karibikinsel ist in vollem Gange. Zwar haben viele Hotels und Restaurants wieder geöffnet und die Touristen machen wieder Urlaub auf Saint-Martin bzw. Sint Maarten. Doch noch immer ist an jeder Ecke - sowohl im niederländischen als auch im französischen Teil - die Zerstörung zu sehen, die Irma hinterlassen hat. Vor allem sind es Boote und Schiffe, die noch immer völlig zerstört und mit der Unterseite nach oben in der Simpson Bay Lagoon liegen und davon zeugen, wie sehr der Sturm damals gewütet hat. An Land türmen sie sich ebenfalls auf einer Art Schiffsfriedhof auf. Noch immer stehen vielerorts unbewohnte Häuserruinen, viele Gebäude werden noch repariert. Kaum ein Auto, das an uns vorbeirauscht, ist beulenfrei. Auch auf den britischen Jungferninseln, die wir im Verlauf unseres Segeltörns besuchten, ist die Situation ähnlich.



Doch zwischen all dem Schutt ist auch der Optimismus der Einwohner der Karibikinseln nicht zu übersehen. Es ist bemerkenswert, wie fröhlich die Menschen trotz der Katastrophe vor zwei Jahren sind und nach vorn blicken. Viele von ihnen haben durch Irma alles verloren, fangen komplett neu an. Und doch wirkt das Leben auf vielen Inseln in der Region, als wäre der Hurrikan nie da gewesen.

Fakt ist: Hurrikans sind im karibischen Meer nichts besonderes, sie gehören zum Leben dort dazu wie Herbststürme in Europa. 2017 wurde die Region allerdings von Tropenstürmen heimgesucht, die im langjährigen Vergleich deutlich stärker ausfielen. Tropenstürme entstehen über warmen Gewässern, wenn die feuchtwarme Meeresluft aufsteigt. Damit dies geschieht, braucht es mindestens 26 Grad Wasseroberflächentemperatur. Wissenschaftler versuchen seit Längerem eine Abhängigkeit zwischen der globalen Erwärmung und der Hurrikanaktivität in der tropischen Region herzustellen.


Schaut man auf das vergangene Jahrhundert, ist festzustellen, dass es Schwankungen in der Wasseroberflächentemperatur gab und gibt, die sich als Wärme- und Kältephasen zusammenfassen lassen. Seit 1990 befinden wir uns in einer Wärmephase. Diese Schwankungen sind nicht unbedingt auf die globale Erwärmung zurückzuführen, denn diese werden maßgeblich von der atlantischen Multidekaden-Oszillation bestimmt. Insgesamt ist jedoch eine Erwärmung des Nordatlantiks innerhalb der letzten 100 Jahre zu verzeichnen - allein zwischen 1970 und 2004 stieg die Temperatur um 0,5 Grad an [2].

P. J. Webster et. al. verglichen die Zeiträume 1975 bis 1989 und 1990 bis 2004 hinsichtlich der Häufigkeit von starken tropischen Stürmen der Stufen 4 bzw. 5. Demnach stieg der prozentuale Anteil starker Tropenstürme in allen Tropengebieten an. Wurden zwischen 1975 und 1989 insgesamt 16 starke Hurrikans im Nordatlantik gezählt, so waren es im Zeitraum von 1990 bis 2004 25 und damit 9 stark ausgeprägte Hurrikans mehr als im Vergleich zum Zeitraum davor [3].


Nach der verheerenden Hurrikan-Saison im Jahr 2017 untersuchten Wissenschaftler mögliche Ursachen dafür. Ein entscheidender Faktor ist den modellbasierten Untersuchungsergebnissen nach die hohe Wasseroberflächentemperatur im tropischen Atlantik zwischen dem afrikanischen Festland und der Karibik. Diese war 2017 um bis zu 0,8 Grad höher als durchschnittlich [4]. Generell steigt mit jedem Temperaturanstieg die Wahrscheinlichkeit für die Bildung von Hurrikans. Somit könnte die erhöhte Temperatur in 2017 die Hurrikanaktivität und die starke Ausprägung vom Hurrikan Irma begünstigt haben. Ob für die höheren Wassertemperaturen generell die anthropogen hervorgerufene Erwärmung der Erde ein Grund ist, konnte das Team aus Wissenschaftlern nicht abschließend sagen.

Die Auswirkungen des Tropensturms Irma zeigen sich aber auch unterhalb der Wasserlinie. Auf dem Meeresboden vor den britischen Jungferninseln liegen Wellbleche und Reste von Häusern verteilt und vielerorts findet man anstelle von bunten und fischreichen Riffgebieten triste Korallenfriedhöfe. Die Korallenskelette sind von Algen überzogen.



Für diese Bilder ist vermutlich nicht allein der Hurrikan Irma verantwortlich, denn die Ursachen für beispielsweise das Korallensterben sind vielfältig und treten weltweit auf. Vor allem der abgelichtete Schutt auf dem Meeresboden zeugt jedoch von tropischen Stürmen, die mit ihrer zerstörerischen Kraft auch vor Häusern nicht Halt machen und zum Beispiel Dächer hunderte Meter weit mitreißen können.

Die Korallenriffe sind weltweit durch die globale Erwärmung und mit ihr einhergehend die Erwärmung der Meere bedroht. Die Anfälligkeit der Korallen ist keine neue Erkenntnis, schon in den vergangenen Jahrzehnten gab es mehrmals großflächige Auswirkungen in Form von Korallenbleichen durch steigende Meerestemperaturen. Die Korallen beginnen, Algen abzustoßen, die an ihnen Photosynthese betreiben und sie mit Nährstoffen versorgen [5]. Hält die hohe Meerestemperatur länger an, stirbt die Koralle mit der Zeit. Auch Wissenschaftler untersuchten das Phänomen bereits umfassend und führten es auf die globale Erwärmung zurück [6 und 7].

Es ist davon auszugehen, dass solche Korallenbleichen in Zukunft häufiger auftreten und die Korallen weniger Zeit haben, um sich zu erholen. Maßnahmen, die dieser Entwicklung entgegen wirken, sind diejenigen, welche ohnehin seit Längerem diskutiert werden, um die globale Erwärmung zu verhindern bzw. einzudämmen. Und dies nicht nur im großen Stil, sondern auch im Alltag von uns allen.


Literatur & Quellen:

[1] Wetter24: "Wie entsteht ein Hurrikan?", http://www.wetter24.de/news/detail/2017-09-06-wie-entsteht-ein-hurrikan/, abgerufen am 12.02.2020.

[2] P. Agudelo & J. A. Curry: Analysis of spatial distribution in tropospheric temperature trend" Geophys. Res. Lett. 31, L22207, 2004.

[3] P. J. Webster et. al.: "Changes in Tropical Cyclone Number, Duration, and Intensity in a Warming Environment", erschienen am 16.09.2005 in Science 309, S. 1844-1846.

[4] Murakami et. al.: "Dominant effect of relative tropical Atlantic warming on major hurricane occurence", erschienen am 16.11.2018 in Science 362, S. 794-799.

[5] Uni München: "Nur noch nackte Skelette", https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2019/woerheide_korallen.html, Interview mit Professor Gert Wörheide, Universität München, abgerufen am 12.02.2020.

[6] A. C. Baker, P. W. Glynn & B. Riegl: "Climate change and coral reef bleaching: an ecological assessment of long-term impacts, recovery trends and future outlook", Est. Coast. Shelf. Sci. 80, S. 435–471, 2008.

[7] O. Hoegh-Guldberg et. al.: "Coral reefs under rapid climate change and ocean acidification", erschienen 2007 in Science 318, S. 1737–1742.

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